Terminvermittlung der KVen vor dem aus?

Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 06.06.2018 – L 11 KA 1312/17

Ein Augenarzt hat erfolgreich gegen die „Zwangszuweisung“ gesetzlich krankenversicherter Patienten zur Behandlung in der fachärztlichen Versorgung durch die KV geklagt. Die KV Thüringen hatte Patienten, die selbstständig keinen Arzt für die notwendige augenärztliche Behandlung finden konnten, im Rahmen der Terminvermittlung per Bescheid einer bei dem Kläger angestellten Fachärztin zugewiesen, die unterdurchschnittlich im Verhältnis zu ihrem Versorgungsauftrag tätig war.


SACHVERHALT

Der Kläger ist Facharzt für Augenheilkunde und nimmt in G. an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Er beschäftigt eine Fachärztin für Augenheilkunde im Umfang von 31 Wochenstunden, deren Anstellung der Zulassungsausschuss mit einem vollen Versorgungsauftrag genehmigt hat. Die Beklagte teilte dem Kläger unter dem 21. Juli 2014 Folgendes mit:

 

"Übernahme der Behandlung von Patienten

 

Sehr geehrter Herr Dr. B.,

 

augenärztliche Patienten haben sich an die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen gewandt, da sie selbstständig keinen Augenarzt für die notwendige ärztliche Behandlung finden können. Die Patienten benötigen eine ärztliche Behandlung, weil ihnen durch die angespannte augenärztliche Versorgungssituation im Planungsbereich S.-Sch.-M. die Neuaufnahme in allen Praxen verwehrt wird und eine Augenkontrolle notwendig ist. Die Patienten haben alle Augenärzte des betroffenen Planungsbereiches selbstständig angefragt und die Behandlung wurde von allen Ärzten abgelehnt. Auch Vermittlungsversuche durch die KV-Thüringen schlugen fehl. Entsprechend der Zulassung Ihrer angestellten Ärztin, Frau Dr. G., zur vertragsärztlichen Versorgung verfügt sie über einen Versorgungsauftrag, der nach Überprüfung der Patientenzahlen ergeben hat, dass sie unterdurchschnittlich im Verhältnis zu ihrem Versorgungsauftrag tätig ist. Diese Auswahl erfolgte durch einen Vergleich der Fallzahlen ihrer Fachgruppe. Uns liegen keine Informationen vor, dass sie krankheitsbedingt oder aus anderen Gründen eingeschränkt ihrem Versorgungsauftrag nachgehen kann. Da die Patienten derzeit keine ärztliche Behandlung erhalten, haben wir nachfolgende Patienten in Ihre Praxis vermittelt. Ehepaar , Ehepaar ..., Ehepaar , Frau , Frau.und Frau Wir haben die Patienten darüber informiert, dass Frau Dr. G. die ärztliche Behandlung der oben genannten Patienten übernehmen wird. Wir bedauern sehr, dass wir derart in das Arzt-Patienten-Verhältnis eingreifen müssen. Als Kassenärztliche Vereinigung sind wir jedoch verpflichtet, den Sicherstellungsauftrag zur ärztlichen Behandlung von Patienten zu erfüllen. Dies geht nur durch die Pflicht des einzelnen zugelassenen Vertragsarztes oder medizinischen Versorgungszentrums seinem Versorgungsauftrag nachzukommen. Die Patienten werden sich in den nächsten Tagen zwecks Terminvereinbarung in Ihrer Praxis melden.

 

Mit freundlichen Grüßen ..."

(Bescheid/Schreiben vom 21. Juli 2014, vgl. Blatt 3 und 4 der Gerichtsakte).

 

 

Die Beklagte KV Thüringen wies den eingelegten Widerspruch als unbegründet zurück. Das Sozialgericht entscheid entsprechend.

ENTSCHEIDUNG

Das Landessozialgericht (LSG) Thüringen hob das Urteil auf und entschied, dass ein Praxisinhaber nicht derart durch die KV zur Duldung der Patientenzuweisung verpflichtet werden kann. Für eine Zuweisung fehle es an einer Rechtsgrundlage; eine solche sei weder in der KV-Satzung noch im Gesetz zu finden.

BEGRÜNDUNG

Aus der Verpflichtung des Vertragsarztes zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung (§ 95 Abs. 3 SGB V) könne keine Befugnis der KV abgeleitet werden, gesetzlich Krankenversicherte durch Verwaltungsakt einem bestimmten Vertragsarzt zuzuweisen. Könne die KV keinen leistungsbereiten Arzt finden, müsse sie vielmehr eine Krankenhaus-Behandlung anbieten.

 

Die Entscheidung kann im Volltext unter https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=202242 abgerufen werden..