Zulassungsentziehung erst nach wiederholter u. systemat. Falschabrechnung/Vergleichsschluss

SG Berlin, Urteil v. 18.10.2017 - S 87 KA 1109/16

SACHVERHALT

Die Kl. ist Fachärztin für Nervenheilkunde und führt ihre Praxis in einer Praxisgemeinschaft mit ihrem Ehemann (Facharzt für Nuklearmedizin). Nach einer Plausibilitätsprüfung zu Patientenüberschneidungen für die Quartale III/2009 bis II/2010 und I/11 bis IV/2012 setzte die KV eine Honorarrückforderung in Höhe von EUR 36.041,54 wegen falscher Abrechnung der Grundpauschalen Nr. 21214 und 21215 EBM fest. Die Kl. akzeptierte diese Rückforderung und ebenso auch für die Quartale III/2010 und IV/2010 in Höhe von EUR 7.166,54. Das Amtsgericht erließ gegen die Kl. einen Strafbefehl, in dem eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu EUR 100 festgesetzt wurde. Darin heißt es:

 

„In den Sammelerklärungen für die Quartale 4/2009 bis 4/2012 gaben Sie gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) jeweils bewusst wahrheitswidrig an, dass Sie alle in der Abrechnung enthaltenen Leistungen tatsächlich erbracht hätten, obwohl dies in den aus der Tabelle ersichtlichen insgesamt 310 Fällen insoweit nicht stimmte, als die Gebührenordnungspositionen (GOP) 21214 und 21215 deswegen zu Unrecht abgerechnet worden waren, weil es sich dabei lediglich um Überweisungen an Ihren in der gleichen Praxisgemeinschaft praktizierenden Ehemann handelte, für die die vorgenannten Grundpauschalen nicht in Ansatz gebracht werden durften. Der KV (…) entstand dadurch ein Schaden in Höhe von mindestens 4.006,10 €, die Ihnen ausgezahlt wurden. Bezüglich des Differenzbetrages i.H.v. 4.029,20 € unterblieb die Auszahlung nur wegen der Überschreitung des Regelleistungsvolumens."

 

ENTSCHEIDUNG

Der Zulassungsausschuss beschloss die Entziehung der Zulassung, der Widerspruch blieb erfolglos. Das SG hob den Beschluss des Bekl. auf.

 

GRÜNDE

Fehlt es an wiederholt unkorrekten Abrechnungen, die das Vertrauensverhältnis zwischen den vertragsärztlichen Institutionen und der Vertragsärztin so stören können, dass eine weitere Zusammenarbeit unzumutbar ist, so kann die Zulassung nicht entzogen werden.

 

Auch ein Anamnesegespräch fällt unter einen von Nr. 21214 EBM geforderten Kontakt. Es reicht aus, wenn das Gespräch ausschließlich darauf gerichtet ist, den Grund der Überweisung zum Nuklearmediziner zu ermitteln und insoweit eine nur eingeschränkte Anamnese enthält. Es kommt nicht darauf an, ob die Patienten ursprünglich in die Praxis der Kl. kommen wollten. Denn sie haben zumindest bewusst ein Gespräch mit ihr als Ärztin betreffend der die Überweisung rechtfertigenden Befunde geführt.

 

Auch wenn die Gespräche nicht die Anforderungen an einen kurativ-ambulanten Arzt-Patienten-Kontakt erfüllen sollten und deshalb eine falsche Abrechnung vorliegen sollte, fehlt es an einer gröblichen Pflichtverletzung. Denn es fehlt an der von der Rechtsprechung vorausgesetzten wiederholten und systematischen Falschabrechnung, die das Vertrauensverhältnis zwischen den vertragsärztlichen Institutionen und der Klägerin nachhaltig zerstören könnte. Nicht jede falsche Abrechnung kann diesen Tatbestand erfüllen.

Vor einer Überweisung nach § 24 BMV-Ä muss nicht ein vollständiger neurologischer Status erhoben werden. Es reicht aus zu prüfen, ob eine Indikation für die Überweisung tatsächlich gegeben ist, und die Überweisung dann auch unter Angabe der bekannten Befunde, Diagnosen und Verdachtsdiagnosen auszustellen.

Unterbreitet die KV ein Vergleichsangebot „zur Vermeidung der Eröffnung und Durchführung dieser Abrechnungsprüfung sowie der Einleitung weiterer sanktionierender Maßnahmen (…)" und kommt es zu einer Einigung und Rückerstattung des Berichtigungsbetrags, kann nicht von einer gröblichen Pflichtverletzung ausgegangen werden.