Ärzte und Gewerbesteuer

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Die Einkünfte einer Ärzte-GbR sind insgesamt solche aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 15 EStG, wenn die GbR auch solche Vergütungen aus ärztlichen Leistungen erzielt, die in nicht unerheblichem Umfang ohne leitende und eigenverantwortliche Beteiligung der Mitunternehmer-Gesellschafter erbracht werden.

DER SACHVERHALT

 

An einer Gemeinschaftspraxis-GbR war neben den beiden Klägern eine weitere Ärztin mit 0% beteiligt.

 

Gemäß dieses Gesellschaftsvertrages sollte die Geschäftsführung zwar gemeinschaftlich ausgeübt und Entscheidungen mehrheitlich getroffen werden. Und der Gesellschaftsvertrag sah weiterhin vor, dass jeder Gesellschafter die Einberufung einer Gesellschafterversammlung verlangen konnte. Für alle künftig aus der Gemeinschaftspraxis entstehenden Verbindlichkeiten gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung, den Kassen und den Patienten sollten - so der Gesellschaftsvertrag - die Vertragspartner als Gesamtschuldner haften. Die Partner waren jedoch im Verhältnis zueinander nach dem Grad des jeweiligen Verschuldens zum Ausgleich verpflichtet (§ 9 Abs. 1). Des Weiteren war für jeden Vertragspartner eine angemessene Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen. Die weitere Ärztin war "zu Null an den materiellen Werten der Gemeinschaft beteiligt". Ihr wurde jedoch das Recht eingeräumt, ein Drittel "der Praxis" zu erwerben. In diesem Fall sollte der Kaufpreis durch einen Gutachter ermittelt werden. Ferner sahen die Abreden vor, dass die Gemeinschaftspraxis Arbeitgeber des gemeinsamen ärztlichen und nichtärztlichen Personals sein sollte. Die Verfügungsmacht über die Konten und die Barkasse lag bei den Klägern und ihren Ehefrauen. Die aus der gemeinsamen privaten und kassenärztlichen Tätigkeit entstehenden Honorare sollten auf die Konten der Gemeinschaftspraxis oder in die Barkasse fließen.

 

Die Kläger wurden schließlich zur Gewerbesteuer veranlagt.

LEITSATZ

 

Erhält ein (Schein-)Gesellschafter eine von der Gewinnsituation abhängige, nur nach dem eigenen Umsatz bemessene Vergütung und ist er zudem von einer Teilhabe an den stillen Reserven der Gesellschaft ausgeschlossen, kann wegen des danach nur eingeschränkt bestehenden Mitunternehmerrisikos eine Mitunternehmerstellung nur bejaht werden, wenn eine besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative vorliegt. Hieran fehlt es jedoch, wenn zwar eine gemeinsame Geschäftsführungsbefugnis besteht, von dieser aber tatsächlich wesentliche Bereiche ausgenommen sind.

BEGRÜNDUNG

 

Der in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des EStG verwendete Begriff des Mitunternehmers ist ein Typusbegriff, der nur durch eine unbestimmte Zahl austauschbarer Merkmale beschrieben werden kann. Die hiernach für die Entscheidung über die Mitunternehmerstellung erforderliche Gesamtwürdigung obliegt in erster Linie der Tatsacheninstanz.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist nicht jeder zivilrechtliche Gesellschafter einer Personengesellschaft auch Mitunternehmer i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Dies ist er nur dann, wenn er aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen (oder einer wirtschaftlich vergleichbaren) Stellung Mitunternehmerinitiative ausüben kann und ein Mitunternehmerrisiko trägt. Die Kriterien für die Annahme einer freiberuflichen Mitunternehmerschaft unterscheiden sich dabei grundsätzlich nicht von denen einer gewerblichen Mitunternehmerschaft.

 

Mitunternehmerrisiko bedeutet gesellschaftsrechtliche oder wirtschaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg eines gewerblichen Unternehmens. Dieses Risiko wird im Regelfall durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts vermittelt. Die allseitige Beteiligung am laufenden Gewinn ist für die Annahme einer Mitunternehmerschaft grundsätzlich obligatorisch. Eine Beschränkung der Verlustbeteiligung auf die Einlage ist indes unschädlich, denn auch der Kommanditist nimmt nur bis zur Höhe seiner Einlage am Verlust der Gesellschaft teil. Mitunternehmerinitiative bedeutet vor allem Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen. Ausreichend ist bereits die Möglichkeit zur Ausübung von Gesellschafterrechten, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten angenähert sind, die z.B. den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten nach § 716 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) bzw. denjenigen eines Kommanditisten entsprechen.

 

Die weitere Ärztin war nicht am Gewinn der GbR beteiligt, an deren Verlust nahm sie nur begrenzt teil. Zudem war sie von einer Teilhabe an den stillen Reserven ausgeschlossen, so dass sich für sie, auch unter Berücksichtigung des von ihr als (Schein-)Gesellschafterin zu tragenden Haftungsrisikos, lediglich ein geringes Mitunternehmerrisiko ergab, das nicht durch eine besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative ausgeglichen wurde.

 

Damit war die weitere Ärztin nicht Mitunternehmerin.

 

Eine Personengesellschaft entfaltet aber nur dann eine Tätigkeit, die die Ausübung eines freien Berufs i.S. von § 18 EStG darstellt, wenn sämtliche Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufs erfüllen. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist ein Angehöriger eines freien Berufs (hier: Arzt) auch dann noch freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient, die die Arbeit des Berufsträgers jedenfalls in Teilbereichen ersetzt und nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist. Fachlich vorgebildetes Personal sind die im Betrieb des Freiberuflers beschäftigten Personen, aber auch Subunternehmer oder freie Mitarbeiter. Fachlich vorgebildet ist sowohl der Mitarbeiter, der dieselbe Qualifikation wie der Betriebsinhaber erworben hat, als auch derjenige, der eine weniger qualifizierte Berufsausbildung aufzuweisen hat.

 

Bedient sich der Angehörige eines freien Berufs einer entsprechenden Mithilfe, muss er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig werden. Für einen Arzt bedeutet dies, dass er eine höchstpersönliche, individuelle Arbeitsleistung am Patienten schuldet und deshalb einen wesentlichen Teil der ärztlichen Leistungen selbst erbringen muss.

 

Erbringen die Gesellschafter einer Personengesellschaft ihre Leistungen teilweise freiberuflich und teilweise, mangels Eigenverantwortlichkeit, gewerblich, so ist ihre Tätigkeit nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG insgesamt als gewerblich zu qualifizieren.

 

Das Finanzgericht ist unter Anwendung dieser Grundsätze zu Recht davon ausgegangen, dass die klagende GbR, bestehend aus den beiden Ärzten als Mitunternehmer, insoweit eine freiberufliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausgeübt hat. Es hat ebenso zutreffend die weitere Ärztin nicht als Mitunternehmerin der klagenden GbR angesehen.

 

Das Finanzgericht hat ferner ohne Rechtsfehler erkannt, dass die Vergütungen aus den von der weiteren Ärztin im Namen der klagenden GBR erbrachten ärztlichen Leistungen nicht auf eine leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit der Mitunternehmer-Gesellschafter der klagenden GbR, der Herren Dr. L und Dr. G, entfielen, und die Einkünfte der Klägerin daher als solche aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren sind (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG).

FAZIT

 

Finanzverwaltung und Finanzgerichte haben die klagende GbR hinsichtlich der (Schein-) Selbständigkeit der weiteren Ärztin abgestraft und sämtliche Praxiseinnahmen auch der Gewerbesteuer unterworfen.

VERMEIDUNG DER GEWERBESTEUERPFLICHT

 

Bei einer Beteiligung im Gesellschaftsvertrag von 0% hätte neben der Vereinbarung einer Gewinnbeteiligung jedenfalls zwingend auch eine Verlustbeteiligung vereinbart werden müssen. Zusätzlich wäre ein Abfindungsanspruch für den zwischenzeitlich erarbeiteten Praxiswert ratsam gewesen. Am sichersten allerdings wäre eine - wenn auch geringfügige - Kapitalbeteiligung sicherlich der beste Nachweis der Übernahme eines Mitunternehmerrisikos gewesen.

 

Bei einer Nullbeteiligung ist es eine Frage der Zeit, bis die Finanzverwaltung nach erster Lektüre des Gesellschaftsvertrages z.B. hinsichtlich Scheinselbstständigkeit hellhörig wird.

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 3.11.2015, VIII R 63/13

Zur Mitunternehmerstellung im Rahmen einer Freiberuflerpraxis